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Die Zuchtgemeinschaft für Eurasier - Ziel und Inhalt der Eurasierzucht

1986 gab Charlotte Baldamus ihr Amt als Zuchtleiterin an Dr. Werner Schmidt weiter, mit dem sie dann nicht immer einer Meinung war. Wahrscheinlich war es dessen Hang zum Experiment und erhöhtem Risiko (was ja - zur rechten Zeit - nicht unbedingt falsch sein muss), was sie störte. Charlotte Baldamus starb nach langer schwerer Krankheit am 24. April 1989 im 79. Lebensjahr - zwei Monate nach Prof. Dr. Konrad Lorenz, den sie so sehr verehrte. Wir, die Älteren unter uns, haben bei ihr unser "Handwerk" gründlich gelernt. Eine bequeme Lehrerin war sie sicher nicht. Wenn es aber das Kennzeichen einer guten Schule ist, dass diese nicht nur den üblichen Lehrstoff vermittelt, sondern darüber hinaus auch eine Einstellung, eine bestimmte Sicht der Dinge, und eine bleibende, kritische Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Erkenntnissen, so war die "Mittelbergschule" gewiss nicht die schlechteste. 

 

 

 

 

 

 

 

"Züchten heißt: in Generationen denken" sagte einst der Genetiker Prof. Dr. Walter Schleger. Eurasierzucht ist nichts für Ungeduldige. Es gilt, beharrlich das Gute zu fördern und das Schlechte zu verdrängen, und umgekehrte Verhältnisse möglichst auszuschließen. Klingt einfach; das Dumme ist nur, dass wir bei einer Verpaarung nur ein bis zwei Merkmale gleichzeitig berücksichtigen können. Trotzdem sind alle anderen Merkmale ebenfalls im Auge zu behalten, um dem Zuchtziel möglichst nahe zu kommen.

 

Aber was wissen wir schon? Wir können nicht in die Tiere hineinschauen, wir wissen nicht, welche genetischen Überraschungen in ihnen stecken. Umso wichtiger ist es, das knappe, wirklich gesicherte Wissen über unsere Hunde vernünftig einzusetzen. Zucht ist immer eine Risikoabwägung. Eine weitere Aufgabe besteht darin, Verwandtschaftsverpaarungen zu vermeiden. Was zu Beginn einer Rasseentwicklung unumgänglich ist, nämlich enge Verwandtschaftszucht, um Fehler früh zu erkennen und erwünschte Merkmale zu festigen, ist in späteren Zuchtstadien unbedingt zu vermeiden, um die Zuchtbasis nicht einzuengen. Eine wirksame Zuchtbasiserweiterung wird aber speziell beim Eurasier zuverlässig nur über eine regelmäßige Einmischung der Ursprungsrassen möglich sein. Das war bisher unter dem Dachverband VDH nicht erlaubt. Seit ca. zwei Jahren wurde einem Antrag des EKW, dem sich die ZG anschloss, endlich stattgegeben. Dem gingen lange Verhandlungen der Abordnungen von EKW und ZG voraus. Inzwischen weiß der Dachverband viel genauer, was ein Eurasier ist. Nach Klärung der Sachlage fanden wir besonders beim Wissenschaftsausschuss, aber auch beim Zuchtausschuss des VDH Verständnis und Unterstützung.

Jede Einmischung erfordert aber eine anschließende Selektionsphase, um die mit der Genpoolerweiterung ebenfalls hinzugekommenen neuen "Defektgene" in Schach zu halten - immer mit dem Ziel, die klassischen, rassebestimmenden Eigenschaften nicht aus dem Auge zu verlieren. Das wird auch in Zukunft so sein.

Hüten wir uns davor den einfachen, bequemen Weg zu gehen! Es ist immer sehr verlockend, Merkmale, die ins Auge fallen, die man gut messen und zählen kann, die bei der Beurteilung eines Hundes leicht zu untersuchen sind, zu bevorzugen - zu Ungunsten von Defekten, die man nicht "sieht" und deren Erfassung mehr Mühe erfordert. Wer das tut, betrügt sich selbst und gleicht jenem Besoffenen, der seinen verlorenen Hausschlüssel unter der Straßenlaterne sucht, nur weil es da hell ist.

Lohnt sich der Aufwand? "Hat es denn seine Berechtigung, zu den vielen Hunderassen, die es heute gibt, noch eine weitere zu kreieren? "Ich glaube ja", so schrieb Konrad Lorenz 1949. Und weiter: "Dazu brauche ich aber einen Hund, der keine Modetorheit ist, sondern ein lebendiges Tier, kein Kunstprodukt und Triumph formzüchterischen Könnens, sondern ein natürliches Wesen mit unverbildeter Seele. Ich will Hunde ausgesprochen mit dem Zuchtziel einer idealen Vereinigung der seelischen Eigenschaften von Lupus- und von Aureushunden züchten, einen Hund der speziell das zu geben imstande ist, was der arme, zivilisierte und auf dem Asphaltboden lebende Mensch vom Hund erwartet und braucht".

Meine Damen und Herren, das waren von Anfang an die anzustrebenden Vorgaben für unsere Eurasierzucht und das sind sie auch heute noch. Wenn wir diese Lorenz'schen Ideale in unserem Zuchtziel vernachlässigen oder gar verlieren, dann, dessen bin ich mir sicher, hat die Eurasierzucht ihren Sinn verloren. Hoffen wir auch weiterhin engagierte Menschen zu finden, die uns durch ihren persönlichen Einsatz helfen, die Eurasieridee im ursprünglichen Sinne in die Zukunft weiter zu tragen.

Alfred Müller im Oktober 2003

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